Untreue § 153 StGB
Der strafrechtliche Tatbestand der Untreue dient nach seinem ursprünglichen Konzept dem Schutz des Vermögens eines Vollmachtsgebers. Dem Gesetzgeber war klar, dass Manager ihre Befugnisse gebrauchen müssen, um zu wirtschaften und sie dabei auch Risiken für fremdes Vermögen eingehen müssen. Manager dürfen ihre Befugnisse nur nicht missbrauchen. Erst dort setzt der strafrechtliche Schutz der Verwaltung von fremdem Vermögen ein.
Eine extensive Auslegung des Begriffs „Vermögensnachteil“ und eine Tendenz zur Interpretation des Tatbestandes als allgemeines Compliance-Delikt haben jedoch den Anwendungsbereich erweitert und vielfach zu einer Verunsicherung des Managements geführt. Werden aber unternehmerische Risiken nicht mehr so bewertet, wie es für das Unternehmen gut ist, sondern zu vorsichtig, kann das die Wirtschaft lähmen und aus volkswirtschaftlicher Sicht verheerende Konsequenzen haben, zB Arbeitsplätze gefährden.
Objektive Voraussetzungen einer Untreue:
- Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen:Untreue erfordert das Bestehen einer rechtlichen Vertretungsmacht, die zur Vornahme von Vermögensverfügungen berechtigt. Rein faktische Handlungen können nicht Untreue, wohl aber vielleicht Diebstahl oder Veruntreuung sein.
- Weiters kann Untreue nur gegenüber fremdem Vermögen begangen werden: mit eigenem Vermögen darf man in den Grenzen des Gläubigerschutzrechtes – Achtung: grob fahrlässige Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen (§ 159 StGB) oder vorsätzliche Vereitelung / Schmälerung die Befriedigung seiner Gläubiger (§ 156 StGB) – grundsätzlich tun was man will.
- Missbrauch der Befugnis: vom Untreuetatbestand werden nur Verstöße gegen das interne Dürfen erfasst. Die Überschreitung einer rechtlichen Vertretungsbefugnis (vollmachtsloses Handeln) ist daher nicht Untreue, ggf. aber Betrug.
- Zufügung eines Vermögensnachteils beim Machtgeber: hier kommt es auf effektiven Verlust an Vermögenssubstanz an („Gesamtsaldierung“).
Nicht zur Erfüllung des Tatbestandes gehört eine (unrechtmäßige) Bereicherung, liegt sie vor, bildet sie nach der Judikatur einen Erschwerungsgrund.
Schadensgutmachung durch Rückzahlung hebt die Tatbeständsmäßigkeit nicht rückwirkend auf, sondern bildet nur einen Milderungsgrund.
Eine zivilrechtliche Anfechtbarkeit des Geschäftes ändert nichts am strafrechtlichen Tatbestand und macht die Untreue nicht rückwirkend ungeschehen.
Subjektive Voraussetzungen einer Untreue:
- Wissentlichkeit bezogen auf den Missbrauch der Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen: Verbieten zB interne Richtlinien (Compliance-Regeln, Codes of Conduct, Satzung der Gesellschaft, Geschäftsordnung des Vorstandes, Kredithandbücher, etc) bestimmte Ausgaben, begründet deren wissentliche Missachtung einen Befugnismissbrauch.
Nicht als Untreue strafbar ist daher fahrlässiges Handeln oder Handeln mit (nur) bedingtem Vorsatz - Schädigungsvorsatz, zB muss der Täter bei einer wissentlich missbräuchlichen Kreditvergabe ernstlich für möglich halten und sich damit abfinden, dass die ausgezahlten Mittel verloren sein werden
Einige Beispiele sollen zeigen, wo der zulässige Handlungsspielraum des Managements aufhört und wo die Strafbarkeit aus Sicht der Staatsanwaltschaften anfängt:
- Die Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft gewährt der Muttergesellschaft ein Darlehen zu Konditionen, die dem Drittvergleich (arm’s-length-principle) nicht stand halten, also günstiger sind, als am Markt (sogenannte verdeckte Gewinnausschüttung)
- Sponsoring (Spenden, Parteispenden, Repräsentationsaufwendungen) durch den Vorstand einer AG oder den Geschäftsführer einer GmbH erfüllen im österreichischen Recht den Tatbestand der Untreue, wenn sie nicht „verkehrsadäquat“ sind.
- Verjährenlassen von Schadenersatzforderungen
- Geld vom Firmenkonto für eigene Zwecke abheben
- Bevollmächtigter und Geschäftspartner vereinbaren eine Provision, die sich zu Lasten des Geschäftsherrn auswirkt
- Prokuristen/ Geschäftsführer verkaufen Waren zu billig
- Anerkennung unrichtiger Rechnungen
- eine Versicherungsgesellschaft verzichtet auf einen ihr zustehenden Regress gegenüber einem Versicherungsnehmer
- ein Vorstand schließt im Streit mit einem Mitarbeiter um die Abfertigung einen raschen Vergleich und nicht durch alle Prozessinstanzen geht
- Abschluss von Risiko- oder Spekulationsgeschäften
- Untreue durch Bestechung
- ZB Vergabe des Kredites an einen Bekannten, obwohl schon im Zeitpunkt der Kreditvergabe feststeht, dass der Rückzahlungsanspruch nicht einbringlich sein wird
- etc
Nach welchem Maßstab wird nun rechtmäßiger Gebrauch der Befugnisse zu pflichtwidrigem Missbrauch? Die Antwort darauf findet sich nicht im Strafrecht selbst!
Die konkreten Verhaltensregeln, deren Einhaltung einen Befugnisgebrauch rechtmäßig machen, ergeben sich vielmehr aus dem Gesetz (zB Aktiengesetz, Bankwesengesetz etc) oder aus internen Richtlinien (zB Satzung der Gesellschaft, Geschäftsordnung des Vorstandes, Kredithandbücher, etc).
- ZB Vergabe eines unbesicherten Kredites, obwohl nach den internen Vorschriften ab einer bestimmten Kredithöhe nur Hypothekarkredite vergeben werden dürfen
- ZB Entscheidung durch ein Vorstandsmitglied allein, obwohl in der Geschäftsordnung ein Vorstandsbeschluss vorgesehen ist
- ZB Vorstand handelt ohne die vorgeschriebene Befassung des Aufsichtsrates
Der Maßstab kann je nach Fall also unterschiedlich sein: ZB legen manche Banken fest, dass Geschäfte gemacht werden bis zum Risiko X, während andere Banken das Geschäft auch noch erlauben, wenn es mehr Risiko gibt. Es gibt also keine starre strafrechtliche Regel, ab wann zB eine Kreditvergabe Untreue ist, es hängt vielmehr von den außerstrafrechtlichen Regeln ab, die die Befugnisausübung im konkreten Fall regeln.
Bei Fehlen von konkreten Regeln greift die Judikatur auf die aus dem ABGB abgeleitete allgemeine Regel zurück, dass jeder Machthaber in Ausübung seiner Vertretungsmacht dem Vertretenen den größtmöglichen Nutzen verschaffen muss (§§ 1009, 1013 ABGB; siehe auch §§ 70, 84, 99 AktienG)
Reform des § 153 StGB?:
Die Verhältnismäßigkeit der Strafen für Untreue im Vergleich mit Delikten gegen Leib und Leben wird zuletzt immer öfter in Frage gestellt: bei einem Schaden von mehr als EUR 3.000 droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bei über EUR 50.000 sogar bereits von einem bis zu zehn Jahren. Eine Anhebung der Wertgrenzen ist in Diskussion.
Nach der jüngsten Judikatur zur Untreue stünden Manager bei der Übernahme von Risiko oft mit einem Fuß im Kriminal. Vielfach wird daher für mehr Rechtssicherheit eine Präzisierung des Tatbestandes gefordert. Dabei müssen sich Legislative und Judikative vor Augen halten, dass unternehmerische Entscheidungen oft riskant sein müssen, aber nicht jede Fehlentscheidung, nicht jeder Misserfolg, die Verantwortlichen vor das Strafgericht bringen darf!
Die richtige Balance zwischen Risiko und Chance ist ex-ante oft nicht einfach zu finden. Geht dabei etwas schief, genügen zivilrechtliche Sanktionen. Den Straftatbestand der fahrlässigen Untreue gibt es nicht.