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Gefälschte Impfpässe

Libération: Kriminalfall “Bourj Hammoud”

Libération, 14. März 2023, S. 6-9

Nach dem tödlichen Angriff auf ein armenisches Juweliergeschäft in Beirut im Jahr 1985 haben die aus dem Gefängnis geflohenen Täter ihr Leben neu aufgebaut – als Juweliere in Wien. Seit 2017 versuchen die Familien der Opfer vor den den österreichischen Gerichten Gerechtigkeit zu erlangen.

Profil: Drei Brüder, fünf Tote

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Ankläger im Aufwind

Ankläger im Aufwind

Zehn Staatsanwältinnen und -anwälte verfolgen in Wien Hand in Hand mit der Polizei Wirtschaftskriminelle. Ihre „Kunden“ sind meist alte Bekannte aus den Seitenblicken.

Die Zeit ist reif für Aufdecker und Ankläger. Die Zeit ist zu Ende für Blender und Spekulanten, die mit Hedgefonds, Swaps, Optionen und anderen „attraktiven Finanzprodukten“ und steilen Aktienkurven schnell, ohne Schweiß und ohne Anstrengung Millionen versprochen und letztlich verschlungen haben. „Sie sind es, denen wir die Wirtschaftskrise zu verdanken haben“, sagt Mag. Beatrix Winkler, Leiterin der Gruppe „Wirtschaftskriminalität“ in der Staatsanwaltschaft Wien.

Dass es mit der Wirtschaft abwärts geht, hat zur Folge, dass es mit der Arbeit der zehn Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der Spezialgruppe aufwärts geht. Allerdings nicht, weil jetzt mehr Wirtschaftsdelikte begangen würden – „die Taten, die wir jetzt anklagen, haben ihre Tatbegehung in der Vergangenheit“, erklärt Winkler. „Der einzige Unterschied zu früher ist, dass sie aufgedeckt werden. Die Menschen sind sensibler geworden.“ Es werden aber auch die allgemeinen Staatsanwälte sein, die auf Grund aktuell öfter begangener Delikte mit höheren Anzeigenzahlen konfrontiert sein werden. Bei Ladendiebstählen soll das bereits der Fall sein. Bei Verzweiflungsüberfällen ist das zu erwarten.

Die Staatsanwaltschaft Wien beschäftigt etwa neunzig Staatsanwältinnen und -anwälte. Im allgemeinen Referat arbeiten etwa 30. „Dort ist man mit zehn bis dreißig Haftakten eingeteilt“, sagt Dr. Markus Fussenegger, der zu jenen Wirtschaftsstaatsanwälten zählt, die auch den allgemeinen Journaldienst versehen. „Das bedeutet, hier geht es auf Zeit.“ Eine „Überhaft“ hätte schwere Folgen für die Staatsanwälte.

Faktor Zeit. Wirtschaftsakten benötigen Zeit – viel Zeit. „Bei uns geht es um Verflechtungen, die wir immer erst im Nachhinein aufzulösen bekommen und die nie von Anfang an klar auf der Hand liegen“, erläutert Fussenegger. Das bedingt genaues Aktenstudium, Auseinandersetzung mit Sachverständigen-Gutachten und vor allem lang dauernde Vernehmungen. Den Großteil der Beschuldigten vernehmen die Wirtschaftskriminalisten der Polizei. In Fällen, in denen es darum geht, sich ein Bild für die Anklage zu verschaffen und in besonders wichtigen Befragungen sind die Staatsanwälte eng eingebunden.
„Mit jemandem, der eine Bank geführt hat, setzen wir uns natürlich nicht nur einmal in einem Ein-Stundengespräch auseinander“, sagt MMag. Norbert Haselhofer. „Da sind mehrere Sitzungen notwendig, die jeweils mehrere Stunden dauern.“ Jeder Akt nimmt nach einer Vernehmungswoche einiges an Gewicht zu.
Die Vernehmungen müssen gut vorbereitet sein – die „Gegenseite“ arbeitet schließlich auch auf den Tag X zu. Oft planen die Staatsanwälte und Polizisten Parallelbefragungen. Das erfordert noch viel mehr organisatorischen Aufwand. Schließlich geht es darum, Absprachen zu verhindern – „was allerdings realistischerweise nur selten gelingt“, sagt Fussenegger. Denn meist gebe es eine größere Zahl Verdächtiger mit einer Reihe von Helfern und Unterstützern. Dann ist wiederum ein Sachverständigengutachten an der Reihe und eine Gegendarstellung. „Wir sind zur Objektivität verpflichtet“, betont Beatrix Winkler. „Wir müssen sowohl Be- als auch Entlastendes herbeizuschaffen versuchen.“

Verteidiger und Staatsanwälte. Das ist nicht das einzige Merkmal, das die Staatsanwälte von ihrem Gegenüber, den Rechtsanwälten, unterscheidet: „Bei uns arbeitet immer nur eine Staatsanwältin, ein Staatsanwalt an einem Akt“, sagt Winkler. „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn wir es uns leisten könnten, zu zweit oder zu dritt an einem Akt zu arbeiten. Aber das spielt’s nicht.“ Nicht nur den allgemeinen Staatsanwälten geht es wie den Kriminalpolizisten – sie sind schwer überlastet – auch die Wirtschaftsstaatsanwälte haben keine Leerläufe.
Bei den Verteidigern sieht es anders aus. „Es ist eine Sache des Geldes, ob man mit zwei oder drei Rechtsanwälten zur Vernehmung erscheint“, berichtet Markus Fussenegger. Er war mehrere Jahre in der Anwaltei, bevor er sich entschloss, Staatsanwalt zu werden. „Es hat etwas mit Gerechtigkeitssinn zu tun, dass ich die Seiten gewechselt habe.“ „Ich muss nichts gegen meine Überzeugung tun – und damit gegen mein Gerechtigkeitsempfinden.“
Der Wechsel zum öffentlichen Dienst ist allerdings am Bankkonto spürbar. „Ein Anwalt, der einen Banker bei einer Hausdurchsuchung beratet, es telefonisch macht und nicht einmal anwesend zu sein braucht, verdient möglicherweise mehr in diesen paar Stunden als wir in einem Monat“, sagt Haselhofer.

Sekretariat und „Backoffice“. Die Staatsanwälte der Wirtschaftsgruppe verfügen über ein Sekretariat. Die Verteidiger der Gegenseite verfügen über ein „Backoffice“: Sekretärinnen, Konzipienten, juristische Zuarbeiter, Betriebswirte, wenn es sein muss, Volkswirte; sie schnipsen mit den Fingern und ein Bote eilt heran. Beim Staat ist das ein wenig anders.
„Unser Glück ist die Zusammenarbeit mit der Polizei“, sagt Mag. Volkert Sackmann. „Mit den Kriminalbeamten des Ermittlungsbereichs Wirtschaftskriminalität im Landeskriminalamt bilden wir ein Ermittlungsteam, in dem es Spaß macht zu arbeiten.“
„Vor allem ist es eine unkomplizierte Zusammenarbeit“, betont Mag. Carmen Prior. „Wir reden uns auf gut Deutsch zusammen, ohne einander jedes Mal Briefe schreiben zu müssen.“ Mit dem Start der neuen Strafprozessordnung hätten beide Seiten die Nähe der jeweils anderen gesucht. „Wir überlassen es völlig den Kollegen von der Polizei, die Ermittlungstaktik anzuwenden, die notwendig ist“, sagt Sackmann.

Betrug und Finanzdelikte. Zuständig sind die Wiener Wirtschaftsstaatsanwälte für den gerichtlichen Teil des Finanzstrafgesetzes, für die Verfolgung schwerer Betrügereien, meist in Bauverfahren, Investment- und Kreditbetrugsfällen sowie die Verfolgung internationaler Betrügereien großen Stils.
Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter des Teams ist pro Jahr mit 70 bis 80 Verfahren beschäftigt. Viele davon entwickeln eine Dimension, die im allgemeinen Referat nicht vorstellbar ist. „Mein Rekord ist ein Akt mit 23 Umzugskisten“, schildert Beatrix Winkler.
Winkler ist seit 15 Jahren Staatsanwältin, spezialisiert auf Wirtschaftsdelikte ist sie seit zwei Jahren. Leiterin der Gruppe ist sie seit März 2009.
In der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft Wien liegen jene Fälle, die auch die Öffentlichkeit als „Wirtschaftskriminalfälle“ qualifiziert: Meinl-Bank, Y-Line, Prater-Vorplatz, Mennsdorf-Puilly, Immo-Finanz, Baumafia…
Bei manchen Betrügereien ist die Grenze zwischen Tätern und Opfern fließend. Die einen gaukeln Sicherheiten und Gewinne vor, die – bei klarem Verstand – nicht funktionieren können. Sie knallen Charts auf den Tisch, in denen die Pfeile der Aktienkurse steil nach oben zeigen. Wer die dahinter liegenden Zahlen hinterfragen würde, würde feststellen, dass die steilen Kurven nur zustande kommen, weil die Zeiträume extrem eng angelegt sind. Aber das wollen die Anleger oft nicht hören.
In der Hochblüte der Luftblasen erfand speziell die US-Wirtschaft Wertträger, die in Europa kaum auf den Markt gekommen wären – von verbrieften Wetten bis hin zu Leasingpapieren für das öffentliche Kanalnetz. „Es ist schon unverschämt so etwas als Finanzprodukt zu bezeichnen“, sagt Dr. Sonja Herbst. Auf der anderen Seite lassen sich die Opfer mitunter nicht allzu ungern belügen. Wer möchte nicht am großen Kuchen mitnaschen? Wer möchte sich nicht nach dem Geld nur bücken müssen, das auf der Straße liegt?
Selbst Banken handeln und reagieren manchmal ins Blaue. „Obwohl wir ihnen vorrechnen, wie es um ihre Kunden steht, bekommen wir mitunter zu hören, dass sie doch noch Kreditraten bezahlen“, schildert Beatrix Winkler.
Früh erwischt werden die Betrüger nur, wenn ihnen Fehler unterlaufen. In einem Fall wurde verabsäumt, den Prospekt an der Börse zu hinterlegen. Die Zahl der Anleger war in diesem Fall noch gering – dementsprechend niedrig war der Schaden. „Geschieht das nicht, dann fallen die Betrügereien erst auf, wenn der Schaden astronomische Summen erreicht hat“, sagt Staatsanwältin Mag. Claudia Zöllner.

Unter der Decke. Untreuedelikte werden oft unter den Teppich gekehrt, um dem Ruf des geschädigten Unternehmens nicht zu schaden. „In einem Fall hat eine Buchhalterin ihren Arbeitgeber in drei Jahren um zwölf Millionen Euro geschädigt“, erzählt Volkert Sackmann. „Die Geschäftsführung war nicht bereit, mit uns und der Polizei zusammenzuarbeiten.“ Bei guter Konjunktur schadet schlechte Presse mehr als „ein paar Millionen“ Verlust.
Die schuldigen Manager und Angestellten werden weggelobt und die Welt ist wieder in Ordnung. „Dass das nicht das Beste ist für das Wirtschaftssystem, kann sich jeder ausrechnen“, sagt Dr. Angelika Nußbaumer. An ihren neuen Arbeitsstellen treiben die losgewordenen Manager ihre Spielchen munter weiter – und führen das nächste Unternehmen in den Abgrund.
Anlagekeiler sprechen oft gezielt Freiberufler an, weil sie wissen: Wenn ihr Lügengebilde zusammenbricht, haben sie kaum eine Anzeige zu befürchten. Einige Berufsgruppen werden unter der Hand als „anlegewillig“ gehandelt, weil sie Geld besitzen, das sie für Leistungen erhalten haben, für die sie keine Rechnungen ausstellen mussten – Schwarzgeld. Diese Art von Geschädigten zählt nicht zu den kooperativsten, mit denen es die Wirtschaftsstaatsanwälte zu tun haben. Das verlängert nicht nur die Dauer solcher Verfahren, es macht es auch schwierig, den Nachweis überhaupt zu führen.

Umsatzsteuerkarussell. Selten gelingt auch der Nachweis von Umsatzsteuerbetrügereien. Waren werden dabei innerhalb Europas im Kreis transportiert, Firmen werden gegründet und liquidiert, Geschäftsführer aufgenommen und gewechselt wie die Hemden.
Die Firmen importieren hochpreisige Güter, die besonders klein und daher einfach und in großen Mengen zu transportieren sind – zum Beispiel Microchips.
Die Waren werden in die EU importiert und weit unter den üblichen Marktpreisen angeboten. Das hat zur Folge, dass die Güter weggehen wie die warmen Semmeln. Auf diese Weise werden binnen Kurzem Umsätze in Millionenhöhe erzielt.
Die importierenden Firmengebilde müssten die einkassierte Umsatzsteuer an den Staat abliefern – „was natürlich nicht erfolgt“, schildert Volkert Sackmann. Die Finanzbehörden reagieren frühestens nach sechs Monaten. Doch kurz bevor es so weit ist, schließen die Firmeninhaber die Bücher und gründen eine neue Gesellschaft mit neuen Strohmännern.
Hinzu kommt, dass der Export von Waren aus der EU umsatzsteuerbefreit ist. Das hat zur Folge, dass die Betrüger die Waren, für die sie Umsatzsteuer kassiert haben, ausführen und auf anderen Wegen wieder einführen.
„Ein solches Umsatzsteuerkarussell kann nur anhand einer Indizienkette nachgewiesen werden“, sagt Sackmann. „Es gibt keine Zeugen, geschädigt ist der Staat und somit gibt es kein Opfer, das aussagen könnte.“ Die Geschäftsführer sind nicht greifbar und es treten immer wieder Gefälligkeitszeugen auf, die nur für ihre Aussage eingeflogen werden und dann von der Bildfläche wieder verschwinden.

Zahnlos. Für die Staatsanwälte ist es nicht nur schwierig, Verurteilungen zu erreichen – die Urteile fallen meist sehr milde aus. Wofür in Österreich zwei Jahre bedingt ausgesprochen werden, wandern die Verurteilten in Deutschland sieben Jahre unbedingt hinter schwedische Gardinen.
Markant für die Verurteilten ist auch, dass sie alle Rechtsmittel ausschöpfen, die ihnen zur Verfügung stehen. Kein Wunder – sie können sich die besten Anwälte leisten.
Gerichtlich strafbar sind Finanzvergehen überhaupt erst ab einem Schaden von 75.000 Euro. Geldstrafen, die die Finanzbehörden in Verwaltungsverfahren einheben, sind allerdings in den meisten Fällen schmerzhafter für die Steuerhinterzieher.

Am Nerv getroffen. „Die Abschöpfung der Bereicherung wäre das wirkungsvollste Mittel gegen Betrüger überhaupt“, sagt Sackmann. „Nicht nur, weil es bewirkt, dass sich die Verbrechen für die Täter nicht rentieren, sondern auch, weil der verursachte Schaden wieder in die Volkswirtschaft zurückfließen würde.“ Die dafür nötigen Spezialeinheiten würden sich für den Staat praktisch von selbst bezahlen. So weit denken die Verantwortlichen des Staates allerdings nicht – sie denken in Planstellen, Bewertungspunkten und „Köpfen“.
Um die Abschöpfung effizient zu gestalten, müssten nicht nur mehr Polizisten damit beschäftigt werden, „wir bräuchten auch spezielle Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die sich mit den Kontenöffnungsbeschlüssen und Hausdurchsuchungen beschäftigen und ständig dran sind, damit das kriminell erlangte Geld aufgefunden wird“, sagt Beatrix Winkler. „Sie sollten gemeinsam mit den Abschöpfungsgruppen der Polizei parallel zu den Ermittlungen der Fachabteilungen arbeiten – und nicht erst nach Abschluss der Beweiserhebungen mit der Suche nach dem Beutegeld beginnen.“ Bei Hausdurchsuchungen müssten die einen nach den Beweisen suchen, die anderen nach kriminell erzielten Gewinnen.

Das System krankt. Doch das System scheitert derzeit nicht nur am Personalmangel in der Polizei und bei den Staatsanwaltschaften. Über Richtern und Staatsanwälten schwebt das Damoklesschwert der Amtshaftungsklage, wenn sie Vermögensbestandteile beschlagnahmen, die vermutlich aus Verbrechen stammen. „Für einen Richter ist es sicher einfacher, jemanden zu einer Geldstrafe zu verurteilen, als Konten öffnen zu lassen und eine Abschöpfung auszusprechen“, sagt Beatrix Winkler. Verfahren ziehen sich in die Länge, und so rostet der eine oder andere Rolls Royce vor sich hin. Hinzu kommt, dass im österreichischen Strafrecht das Nettoprinzip für die Abschöpfung gilt: Wird etwa ein Dealer dabei erwischt, wie er jemandem ein Kokainkügelchen um 30 Euro verkauft, dürften ihm lediglich diese 30 Euro als Vermögensgewinn „abgeschöpft“ werden – obwohl nach allen Regeln der Vernunft angenommen werden könnte, dass er die restlichen 750 Euro in seiner Hosentasche ebenfalls aus Drogenverkäufen hat.
Das deutsche Rechtssystem ist anders hinsichtlich der Abschöpfungsbestimmungen. Der Vermögenseinbehalt durch den Staat erfolgt auch früher, was allerdings zu Lasten der Unschuldsvermutung geht.
„Es wäre schon eine wesentliche Verbesserung, wenn die Abschöpfung über die einzelnen Beutestücke hinaus bzw. den Nettogewinn aus den Delikten in Österreich nicht nur für Verbrechen möglich wäre, sondern auch für Vergehen“, sagt Volkert Sackmann. Vergehen sind mit einer Haftstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Zudem ist die erweiterte Abschöpfung der Bereicherung auf das gesamte Vermögen des Täters nur bei gewerbsmäßig begangenen strafbaren Handlungen möglich. „ Sonst gibt’s nur Abschöpfung light“
Oft krankt es auch nur am Wissen über Abschöpfungsmöglichkeiten. „Für eine flächendeckend effiziente Abschöpfung müssten alle mit mehr Personal mitmachen – Polizei, Staatsanwälte und Richter“, betont Winkler. Auch auf Richterseite gibt es welche, die auf Wirtschaftsstrafsachen spezialisiert sind.

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Österreich

Artikelauszug: Sie sprengten das Netzwerk

Michael Ramprecht

Ex-Grasser-Mitarbeiter

Der Rächer. Im Kabinett von Grasser war Michael Ramprecht für das Budget zuständig, später wird Ramprecht Chef der Bundesbeschaffung GmbH. 2006 verlängert Grasser den Vertrag mit ihm nicht. Er droht Grasser in zahlreichen Mails. Drei Jahre später rächt er sich an Grasser und packt im “Profil” aus.

Norbert Haslhofer

Staatsanwalt

Der Grasser-Jäger. Er ist für den Knalleffekt der Woche verantwortlich: Nach einer Serie von Zeugenaussagen hat der in der BUWOG-Affäre ermittelnde Staatsanwalt durchgesetzt, dass auch Grasser als Beschuldigter geführt wird. Es besteht der Verdacht des Amtsmissbrauchs, Geheimnisverrats und illegaler Absprachen.

 

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Falter

Allein gegen die Freunderln

Strasser, Grasser, Meischberger: Die Staatsanwaltschaft widmet sich den schwarz-blauen Skandalen. Und zeigt dabei ihre Schwächen

Sag noch einer, Staatsanwälte seien lahm, wenn es um die Aufarbeitung von Freunderlwirtschaft geht. Manche brüten sogar sonntags über ihren Fällen. Norbert Haselhofer zum Beispiel.

Der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Staatsanwalt bearbeitet gerade die Causa Buwog, die Affäre rund um die schwarz ausbezahlten Millionenprovisionen an die Geschäftspartner von Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser.

Am Sonntag studierte Haselhofer deshalb das neue profil. Der Verkauf von 62.000 Buwog-Wohnungen, so behauptete darin ein anonym auftretender Exkabinettsmitarbeiter Grassers, sei ein „abgekartetes Spiel“ gewesen. Nicht nur der spätere Käufer der Liegenschaften, die rund 960 Millionen Euro wert waren, die Immofinanz, sei damals festgestanden. Auch der Ex-FPÖ-Politiker, Lobbyist und spätere Grasser-Kompagnon Walter Meischberger sollte in dem Deal „an Bord“ geholt werden.

Das Bieterverfahren, so der Informant sinngemäß, sei nur ein Bluff gewesen. Karl-Heinz Grasser und sein heutiger Geschäftspartner, der Immobilientreuhänder, Buwog-Aufsichtsrat und frühere FPÖ-Sponsor Ernst Karl Plech, hätten nämlich vorgegeben, „wohin die Reise gehen“ solle. Die über Scheinfirmen ausbezahlten zehn Millionen für die Grasser-Freunde Walter Meischberger und Peter Hochegger seien daher auch in diesem Lichte zu betrachten.

Während der aufgebrachte Exfinanzminister noch rätselte, welcher Mitarbeiter ihn da belastet haben könnte, und Plech über seine Anwälte alles dementierte, setzte sich Staatsanwalt Haselhofer an seinen Computer und googelte den Namen des mysteriösen profil-Informanten. Es ist der ehemalige stellvertretende Kabinettschef Michael Ramprecht. Er war im Finanzministerium für die Privatisierung der Staatswohnungen zuständig, wurde dann von Grasser zum Geschäftsführer der Bundesbeschaffungsagentur ernannt und später wegen dubioser privater Immobiliendeals von diesem Posten entfernt.

Staatsanwalt Haselhofer hätte den Amtsweg einhalten und die Polizei mit der Ausforschung des Kronzeugen beauftragen können. Anstatt Vorladungen zu diktieren, suchte er sich lieber selbst die Handynummer Ramprechts und befahl ihn noch am Sonntag zum Verhör.

Der ehemalige Grasser-Vertraute, so wurde dem Falter am Montag aus Justizkreisen bestätigt, wiederholte auch unter Wahrheitspflicht als Zeuge vor dem Staatsanwalt, was er Journalisten kurz zuvor anvertraut hatte. Der Buwog-Verkauf sei eine geschobene Sache gewesen. Es sei, so legte Ramprecht nach, Grassers Wunsch gewesen, dass die Immofinanz, die die später üppig entlohnten Lobbyisten Meischberger und Hochegger beschäftigte, den Zuschlag erhalte. Alle drei bestreiten dies.

Die Justiz macht also Druck, und Haselhofers Eile passt so gar nicht zur Trägheit seiner Kollegen aus der „politischen Abteilung“ der Staatsanwaltschaft, die dieser Tage so unter Beschuss stehen, weil sie Anzeigen gegen ÖVP-Politiker so lange „übersehen“ hatten, bis diese verjährten.

Eile ist zwar nicht das erste Gebot der Justiz, doch manchmal wichtig, um Beweise zu sichern. Haselhofer wollte wohl die Aussage eines wichtigen Zeugen zu Protokoll bringen, ehe der angebliche Aufdecker durch Millionenklagen eingeschüchtert werden könnte. Dass so etwas geschehen kann, zeigten ja auch andere hochpolitische Verfahren der Vergangenheit. In der „Stadionaffäre“ rund um das Klagenfurter EM-Stadion, als es um Schmiergeldzahlungen an die FPÖ durch den Baukonzern Strabag ging, wurde ein Architekt, der Korruption beklagte, durch eine Klagsflut zum Schweigen gebracht. Und der abgesetzte Kripo-Chef Herwig Haidinger, der über Korruption im Innenministerium auspackte, wurde mit Disziplinaranzeigen geradezu überschüttet.

Auch Karl-Heinz Grasser (vertreten durch den gefürchteten Medienanwalt Michael Rami) drohte am Montag dem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter Ramprecht mit teuren Kreditschädigungsklagen. Der ehemalige Kollege, so Grasser, habe sich ja „selbst etwas zuschulden kommen lassen“ und führe nun einen erpresserischen Rachefeldzug gegen ihn. Es gilt die Unschuldsvermutung für beide. Die Klagsdrohungen wirken offenbar. Ramprecht ist zu weiteren Stellungnahmen nicht bereit. Am Telefon lässt er sich verleugnen.

Die Justiz sammelt derweil weitere Beweise. Die neuen Manager der maroden Immofinanz helfen ihr dabei. Sie wollen die Millionenprovisionen wieder zurück, weil dafür angeblich keine Leistungen erbracht worden sei. Die Kriminalpolizei durchsucht Wohnungen und Büros von Grassers Trauzeugen Walter Meischberger, der seine Unschuld beteuert. Und das Finanzamt durchforstet die Konten von dessen PR-Firma Valora, an der auch Grasser kurzfristig beteiligt war. Über diese Firma, so lautet der von allen Beteiligten bestrittene Verdacht, könnten die Millionenprovisionen verteilt worden sein.

Die Anklagebehörde geht nun Hinweisen nach, wonach geheime Informationen im Bieterverfahren Grassers Freunden zugesteckt worden seien. Ein Vorwurf, den der Exfinanzminister brüsk zurückweist. Doch er wird erklären müssen, wieso das Gebot der Immofinanz für die Buwog nur rund ein Promille über jenem der Konkurrenz lag. So ein hauchdünner Vorsprung bei einem Milliardengeschäft legt auch für die Ankläger den Verdacht nahe, dass die Gebote verraten wurden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Bemerkung Walter Meischbergers. Gegenüber dem Falter gab er vergangene Woche zu, einst von Jörg Haider vertraulich erfahren zu haben, dass das Land Kärnten auf ein Vorkaufsrecht bei der Veräußerung eines Teils der Bundeswohnungen verzichten werde. Das Vorkaufsrecht habe sich Haider nur aus politischen Gründen zusichern lassen, um in Kärnten als möglicher Retter der Wohnungen punkten zu können.

Eine wertvolle Insiderinformation, die Meischberger über den Lobbyisten Hochegger an die Immofinanz weiterleitete, die deshalb in ihrem Gebot die Wohnungen aus Kärnten möglicherweise höher bewertete als die Konkurrenz.

Nur ein Problem taucht bereits jetzt auf: Die Affäre Buwog könnte längst verjährt sein. Erst wenn nachgewiesen werden kann, dass Grasser der Republik einen Schaden von mehr als 50.000 Euro zugefügt hat, seien weitere Ermittlungen möglich. Auch ein Strafverfahren gegen Walter Meischberger und Peter Hochegger ist ungewiss. Schließlich haben sich die beiden selbst angezeigt – allerdings erst, nachdem ein Journalist vom Wirtschaftsblatt von den Schwarzgeldzahlungen Wind bekam und darüber am 11. September berichtete.

Das Tempo der Ermittlungen im Fall Buwog ist wohl auch ein Signal für die Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft weiß, dass sie ihren Ruf der Untätigkeit loswerden muss, zumal wenn es um die Aufarbeitung von Vorwürfen gegen die Staatsspitze geht. Nicht nur die vom Falter veröffentlichten Akten der Weisungssektion im Justizministerium haben das Ansehen der Anklagebehörde ramponiert. Politiker, Richter, Staatsmanager und Polizisten wurden mit merkwürdigen Begründungen und in verschleppten Verfahren vor Strafverfahren geschont – sehr zum Ärger von Korruptionsermittlern, die neue Sitten in der Republik fordern.

Vergangenen Freitag wurde im U-Ausschuss des Nationalrats der nächste Justizsaustall sichtbar. Die Opposition hatte den Wiener Staatsanwalt Christian Walzi gehörig ins Gebet genommen. Es ging um die Freunderlwirtschaft eines anderen schwarzen Ministers: die des Ernst Strasser.

Anfang März 2008 hatte der Falter ein Konvolut jener E-Mails an Staatsanwaltschaft und BIA übersandt, in denen schwarzer Postenschacher und Einladungen zu Jagden durch den Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly dokumentiert waren.

Was geschah? Das 150 Seiten starke Paket blieb unbearbeitet liegen. „Ich habe die Anzeige übersehen“, gab Walzi zerknirscht vor den fassungslosen Parlamentariern zu. Statt zu prüfen, ob öffentliche Posten vom Innenminister nach Parteibuch vergeben wurden, ließ Walzi erheben, wer denn die E-Mails gestohlen haben könnte. Auch mehrmaliges Nachfragen seitens des Falter bei BIA und Staatsanwaltschaft änderte an seinem Desinteresse nichts. Beim BIA gab man sich noch untertäniger: „Ja, wenn wir da einmal hineinstechen würden!“, bemerkte ein BIA-Beamter .

Dem Justizministerium gehen diese Unsitten offenbar zu weit. Im Dezember 2008 fragte ein Beamter nach, warum gegen Strasser noch immer nicht ermittelt worden sei. Doch wieder blieb derAkt liegen. Er wanderte zu einem 29-jährigen Staatsanwalt, der den Akt nun wegen Verjährung dem Reißwolf füttern muss. Walzi wird sich für seine Untätigkeit in einem Disziplinarverfahren verantworten müssen. Und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kündigte eine Kontrolle der Staatsanwälte an.

Wo liegen die Gründe für solche Zustände? Wieso sind flinke Staatsanwälte wie Buwog-Ankläger Norbert Haselhofer Ausnahmeerscheinungen? Ankläger, Korruptionsfahnder und Oppositionelle bieten viele Erklärungen dafür. „Personalnot“ lautet eine. Die Staatsanwaltschaft, mit enormen Kompetenzen aufgerüstet, sei unterbesetzt und nicht mehr imstande, die Aktenflut zu bewältigen.

In der Korruptionsstaatsanwaltschaft etwa arbeiten zum Beispiel nur fünf Ankläger an den größten und kompliziertesten Causen des Landes. Und das, so beklagen die Korruptionsjäger, sei wohl kein Zufall.

„Kompetenzmangel“, lautet die zweite Erklärung für die träge Justiz. Für komplizierte und globale Wirtschaftscausen der Sorte Buwog, Meinl, Mensdorff und Immofinanz seien die juristisch, aber nicht betriebswirtschaftlich geschulten Staatsanwälte einfach zu schlecht ausgebildet. Beschuldigte Wirtschaftsbosse, vertreten durch eine Armada von mit allen Wassern gewaschenen Wirtschaftsadvokaten, klatschen die Justiz an die Wand, wie derzeit die Causa Julius Meinl zeigt. Jeder Fehler wird von Anwälten und PR-Leuten Meinls via Presseaussendung skandalisiert. Dass die Justizministerin nun verspricht, ein paar Wirtschaftsexperten für die Staatsanwaltschaft zu engagieren, ist zwar ein guter Anfang, mehr aber auch nicht.

Dritte Erklärung: die Feigheit der Ankläger gegenüber den Mächtigen. Nicht nur der Grüne Peter Pilz beklagt, die Staatsanwaltschaft habe sich in den letzten Jahren zu einer Filiale der Macht entwickelt. Auch Exrechnungshofpräsident Franz Fiedler rügt immer wieder, dass die Ankläger politisch subtil gesteuert werden könnten, etwa durch die Aussicht auf Beförderungen.

Werner Pleischl, der streitbare Chef der Oberstaatsanwaltschaft Wien, beklagt, noch immer dem Justizminister weisungsunterworfen zu sein. „Solange ein Politiker oben sitzt und hipp und hopp sagen kann, werden wir ständig im Geruch der Geheimniskrämerei und der Politjustiz stehen. Selbst wenn die Realität anders aussieht.“

Pleischl leidet unter dem Beschuss der Opposition. Die Attacken des Parlaments erlebt er als „Paradigmenwechsel“ im Umgang mit der Justiz. Die heilige Justiz, muss er erkennen, wird nun auch von Volksvertretern in deren Sprache kritisiert.

Das hat Vorteile, weil dadurch Missstände aufgedeckt werden. Aber es öffnet auch noch mehr parteipolitischer Einflussnahme von der falschen Seite Tür und Tor. Vor allem das BZÖ kritisiert dieser Tage Staatsanwälte und die Antikorruptionstruppe BIA ja auch aus eigennützigen Motiven (etwa weil der vorbestrafte Peter Westenthaler wegen Nötigung eines Polizisten angeklagt werden soll).

Pleischl tritt deshalb für eine umfassende Reform ein. Die Staatsanwälte sollten nicht mehr dem Minister, sondern einem Senat von vier Oberstaatsanwälten unterworfen sein. Dadurch könne der Vorwurf der Politjustiz neutralisiert werden. Einstellungen in politisch brisanten Verfahren sollten zudem wie OGH-Urteile im Internet öffentlich gemacht werden. „Wir haben momentan das Problem, dass Dinge geheim sind, die eigentlich öffentlich sein müssten“, sagt Pleischl, „und die Medien veröffentlichen höchst private Daten, die niemanden etwas angehen.“

Pleischls Forderungen lassen die schwarze Justizministerin Claudia Bandion-Ortner kalt. Sie hat bereits versichert, dass sie das Weisungsrecht nicht abschaffen will. Sie hegt andere Pläne. Im Justizministerium arbeitet ihr Kabinettschef an einer großen „Strukturreform“, mit der, so die Sorge vieler Beamter, die letzten progressiven Sektionsleiter abgesägt und durch schwarze Parteigänger ersetzt werden sollen. Vielleicht wird sich bald wieder jemand mit der Parteibuchwirtschaft in einem schwarz regierten Ministerium befassen müssen.

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Zanger holt

Zanger holt Immofinanz-Staatsanwalt

Mehr als ein halbes Jahr war Staatsanwalt Norbert Haslhofer von der Bildfläche verschwunden. Zu engagiert habe er sich in der Causa Immofinanz/Buwog gezeigt, deshalb sei er aufgrund von Interventionen Ende letzten Jahres als Staatsanwald von der brisanten Causa abgezogen worden, hieß es. Anfangs wurde noch gemunkelt, Haslhofer werde eine andere Abteilung in der Staats-anwaltschaft Wien übernehmen. Auch ein Wechsel zu einer der Wiener Großkanzleien wurde von einigen Branchenkennern nicht ausgeschlossen. Seit kurzem nun ist Norbert Haslhofer wieder aktiv, allerdings weder als Staatsanwalt noch in einer großen Anwaltskanzlei.

Seit wenigen Wochen ist der Top-Jurist als Konzipient beim Medienrechtsanwalt Georg Zanger im Einsatz. Zanger habe den Ex-Staatsanwalt in seiner Funktion als Vertreter in der Causa lmmofinanz näher kennen gelernt. „Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden. Seit er bei uns in der Kanzlei ist, ist die Stimmung noch viel besser”, streut Zanger seinem neuen Konzipienten Rosen. Haslhofer, der sieben Jahre als Richter in Linz gearbeitet hat und danach drei Jahre als Staatsanwalt in Wien, soll sich nicht nur Wirtschaftsstrafsachen widmen. Er sei universal einserzbar und werde bald seine Anwaltsprüfung ablegen, so Zanger.

 

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Presse (Fall Hundertwasser: Kritik an Justiz)

Fall Hundertwasser: Kritik an Justiz

Die Tochter des Künstlers sieht sich um Millionen betrogen. Dafür gibt es starke Indizien. Die Staatsanwältin stellt das Verfahren jedoch ein – unter merkwürdigen Umständen.

Der 31. Mai 2013 war – trotz Dauerregens – ein guter Tag für Joram Harel und seinen Anwalt Georg Zanger. An diesem Tag ließ die österreichische Justiz alle Verdachtsmomente gegen den ehemaligen Manager und nunmehrigen Nachlassverwalter des verstorbenen Künstlers Friedensreich Hundertwasser fallen. Das Ermittlungsverfahren wegen schweren Betrugs wurde – ohne weitere Berufungsmöglichkeit – von der zuständigen Staatsanwältin und mit dem Segen des Landesgerichts Wien eingestellt. Also alles gut damit?

Aus Sicht des ehemals Beschuldigten trifft das zu. Aus Sicht des vermeintlichen Opfers weniger. Denn: Die Indizien dafür, dass der heute 30-jährigen Tochter des Meisters im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens vor 13Jahren Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen wurden, sind stark.

Vor mehreren Monaten berichtete „Die Presse“ ausführlich (mehr dazu hier). Die Staatsanwältin Caroline Pestal-Czedik-Eysenberg, die erst vor eineinhalb Jahren von der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner zur Anklage gewechselt war, wertete die Fakten jedoch als nicht belastend. Indirekt bezweifelte sie die Glaubwürdigkeit des Opfers: So sei etwa fraglich, ob die 30-Jährige überhaupt die Tochter von Hundertwasser sei.

Die Betroffene wollte sich zu den Details nicht äußern, sagt aber, dass sie „von der Justiz schwer enttäuscht“ ist. Tatsächlich werfen die Ergebnisse der bisherigen Recherchen die Frage auf, wie ein Ermittlungsverfahren bei einer derartigen Faktenlage eingestellt werden konnte. Die Details:

•Die Verwandtschaft:  Am 6. September 1983 stellte das Bezirksgericht Neunkirchen rechtskräftig fest (Aktenzahl 15-M-82113), dass Friedensreich Hundertwasser der Vater der Frau ist. Damit stand ihr zum Zeitpunkt seines Todes (19.Februar 2000) ein 50-prozentiger Pflichtteil zu. Trotzdem hegte die Staatsanwältin Zweifel.
•Die Erbschaft damals: Nach Hundertwassers Tod erstellten Gericht und Harel, der jener Stiftung vorsteht, der der Künstler alles vermachte, eine Inventarliste. Angeblich war die Stiftung in Millionenhöhe überschuldet. Harels Angebot lautete: Für 140.000 Euro und ein Bild sollte die damals 18-Jährige auf alle Ansprüche verzichten. Sie willigte ein.
•Die Erbschaft heute: Einige Jahre und intensive Recherchen später stellt sich das Vermögen der Stiftung anders dar. Der seinerzeit mit 44.257,76 Euro bewertete Anteil Hundertwassers an einer Wiener Immobilie wurde 2010 um eine Million Euro verkauft. Ein – angeblich 1,5 Mio. Euro schwerer – Kredit war tatsächlich nur halb so hoch. Ebenfalls im Vermögen der Stiftung: zwei Immobilien. Der 370 Hektar große Landstrich auf Neuseeland/Bay of Islands soll laut Angaben von Harel und Zanger damals 120.000 Euro wert gewesen sein. Aktuell werden dort viel kleinere Grundstücke (61 ha) um drei Millionen Euro verkauft. Auch nicht erwähnt im Nachlass: ein 18.000 Quadratmeter großer Park mit Palazzo in Venedig, der einer Firma des Meisters gehörte. Der Wert des Anwesens mit Blick auf den Dogenpalast ist schwer zu beziffern. Heute kostet dort eine kleine Villa mit 1500 Quadratmetern Grund 7,5 Mio. Euro.
•Werke und Rechte: Auch nicht erwähnt wurde damals eine schweizerische Briefkastenfirma, an der die Stiftung alle Aktien hielt (und hält), die einst Hundertwasser selbst gehörte, und der dieser alle Werke und Nutzungsrechte übertragen hatte. Laut einer internen Unterlage überwies diese Firma dem Künstler jährlich 15 Prozent der Einnahmen, was ebenfalls der Erbschaft zuzurechnen wäre. Dabei muss es um viel Geld gehen. Hundertwasser-Drucke wurden in Auflagen von jeweils mehreren tausend Stück gefertigt. Die Preise pro Stück betragen zwischen 3500 und 12.000 Euro.
•Die schiefe Optik: Eigenständige Ermittlungen gab es nicht. Die Staatsanwältin ließ sich von den Beteiligten lediglich Akten vorlegen. Die Einvernahme des Opfers beschränkte sich auf die rhetorische Frage, ob sie etwas sagen wolle. Für Harels Befragung deponierte sie die Fragen vorab im Akt. Stellen sollten sie mit dem Fall nicht vertraute Polizisten einer Inspektion in Wien Währing. Auf die Kriminalpolizei verzichtete die Staatsanwältin. Dann kam das Ersuchen um Akteneinsicht durch Harels Anwalt Zanger, der einen Mitarbeiter, Norbert Haslhofer, schickte. Ein Mann, der kurz vorher von der Staatsanwaltschaft Wien gekommen war. Inzwischen arbeitet er für den ehemaligen Arbeitgeber der für den Hundertwasser-Fall zuständigen Staatsanwältin – die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner.

„Die Presse“ bat die Staatsanwaltschaft Wien um eine Stellungnahme. Dort begründete man die Einstellung des Ermittlungsverfahrens so: „Wir konnten dem Beschuldigten keine Täuschungsabsicht nachweisen.“

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 08.06.2013)