Die-Presse,-7-8-Dez-2012,-K-2

Neue Cashcows der Kanzleien

Prozessanwälte: Korruption und Kriminalität bringen Wirtschaftsadvokaten beruflich wieder dorthin, wo man sie lange nicht vermutet hat: in den Gerichtssaal.

Wirtschaftsstrafrecht hat gerade Konjunktur in der Advokatenbranche: „Ausgangspunkt waren die großen Wirtschaftsstrafverfahren wie Bawag- oder Anlegerprozesse. Hier hat diese Entwicklung ihren Ursprung. Mittlerweile sind sie zu Cashcows geworden“, bestätigt Susanne Hochwarter. Die Nachfrage nach sogenannten Prozessanwälten, welche Strafrechtler und Wirtschaftsadvokat in einem sind, übersteige das Angebot bei Weitem, berichtet die Gründerin und Geschäftsführerin der auf den juristischen Bereich spezialisierten Personalberatung „Lawyers & more“ aus ihrer beruflichen Erfahrung. Hochwarter nennt zwei klassische Karrierewege, die zu dieser speziellen Profession führen: So erweitern entweder Strafrechtler ihr Betätigungsfeld in Richtung Wirtschaftsstrafrecht, oder Wirtschaftsanwälte spezialisieren sich auf diesen Bereich.

Beruf nicht wie in US-Serien

Zur erstgenannten Gruppe zählt Andreas Strantzinger: „Ich bin den gesamten Vormittag oder den frühen Nachmittag im Gefängnis oder vor Gerichten – je nachdem entweder in Straf- oder Zivilgerichten“, sagt der Strafrechtsexperte, der unter anderem auch den ehemaligen Bawag-Chef Helmut Elsner zu seinen Klienten zählt. Mit Anwaltscharakteren, wie sie in US-amerikanischen TV-Serien gezeigt werden, hat seine Tätigkeit nichts gemein. In dieselbe Kerbe schlägt Norbert Haslhofer. Er ist zuvor als Staatsanwalt vor allem mit Wirtschaftsdelikten befasst gewesen und arbeitet nun als Head of Criminal Law bei der Sozietät Lansky, Ganzger und Partner: „Das tägliche Brot des Prozessanwalts aber sind die ausführlichen Mandantenkontakte und die Mandantenpflege, die Erarbeitung des Prozessstandpunktes und die Konzeption von Schriftsätzen.“

Wer als Prozessanwalt erfolgreich sein möchte, der müsse „mit verschiedenen Ebenen der Gesellschaft umgehen können. Gerade im Strafrecht hat man auch mit der unteren sozialen Ebene zu tun. Da ist oft eine andere Wortwahl notwendig, um verstanden zu werden“, so Strantzinger. Rechtsanwälte müssten – in ihrer Kleidung ebenso wie in der Einrichtung der Kanzlei – ein „Mittelmaß finden, um überall verstanden zu werden“. Ein guter Prozessanwalt werde man nicht von heute auf morgen, meint Hochwarter. „Das muss man im Blut haben.“

ZPO- und StPO-Kenntnisse

Welche Fähigkeiten benötigen Prozessanwälte? „Häufig unterschätzt sind die Anforderungen an einen erfolgreichen Prozessanwalt auf menschlicher Ebene: Ohne Ausdauer, Genauigkeit, Nervenstärke und einer Bereitschaft zum kontrollierten Streiten geht in diesem Metier gar nichts“, sagt Haslhofer. Dazu gehören natürlich herausragende juristische Fachkenntnisse und Kenntnisse der jeweiligen Verfahrensordnung – wie der meist unter ihrem Kürzel bekannten ZPO (Zivilprozessordnung) oder der StPO (Strafprozessordnung).

Sowohl die beiden Kanzleivertreter wie auch die Personalberaterin heben allerdings vor allem die Erfahrung bei Gericht als wichtigstes Qualitätskriterium für einen Prozessanwalt hervor. Hochwarter dazu: „Die Qualität der erbrachten Leistung ist vor allem abhängig von der Verhandlungserfahrung.“

Daher rät Haslhofer auch Studierenden, in diesem Bereich Praktika zu absolvieren und möglichst früh Gerichtserfahrung zu sammeln. „Schließlich gehört zur Vorbereitung auf die Praxis als Prozessanwalt die frühestmögliche Einsicht in den Grundsatz: Wer recht hat, muss bei Gericht dann noch lange nicht recht bekommen, weil es auch darauf ankommt, wie der Anspruch dem Gericht präsentiert wird.“

(“Die Presse”, Print-Ausgabe, 7.12.2012)